"Wenn du es gelesen hast, so mach das Buch zu
und stelle Betrachtungen darüber an."

Johann Wolfgang von Goethe

Reaktionen
Mehr als ein guter Abenteuerroman

Der bedeutungsvolle Titel lässt es schon erahnen: Diese Geschichte des Hark Olufs, der in der Fremde heimisch wird und zu Hause beinahe ein Fremder bleibt, ist nicht nur ein spannend geschriebener Abenteuerroman. Zwei Welten und Kulturen begegnen sich in der Lebensgeschichte des Hark Olufs und werden eins. Es entsteht beim Lesen eine besondere Faszination: Harks Offenheit und Neugier gegenüber allem Fremden und Neuen überträgt sich auf den Leser! Wie der christlich geprägte nordfriesische Seemann in den islamischen Kulturkreis eintaucht, ihn immer mehr kennen, verstehen und lieben lernt, ist spannend und lehrreich zugleich.Der Leser erfährt- quasi nebenbei- vieles über das Leben, Sitten und Gebräuche in der islamischen Welt. Besonders eindringlich wird der Haddsch, die Pilgerfahrt nach Mekka, beschrieben, die für jeden gläubigen Moslem der Höhepunkt in seinem Leben ist. Alles ist sorgfältig recherchiert - am Ende des Buches findet sich ein Glossar und eine kleine Bibliographie.

Hark Olufs meistert alle Herausforderungen während seiner zwölf Jahre dauernden Gefangenschaft nicht ohne Hilfe. Sein Freund Akbar und der Bey von Constantine,in dessen Diensten er steht, der ihn aber wie einen Sohn annimmt, begleiten und unterstützen ihn. Der Bey ist die strahlende Person im Hintergrund: Er ist der Herr und zugleich durch seine Weisheit und Güte ein väterlicher Freund. Gegenseitiger Respekt,Toleranz und Liebe machen die Erfahrungen Hark Olufs erst möglich - das ist die wichtige Botschaft. Dieses außergewöhnliche Buch ist sehr liebevoll gestaltet, besonders die vielen wunderbaren, farbigen Bilder machen es zu einem Kleinod. Als Jugendroman sollte es in keiner Schülerbücherei fehlen, ist aber auch für Erwachsene eine lohnende Lektüre!

Nicht nur für jugendliche Leser aktuell

(...) Die Autorin dieses spannend geschriebenen Abenteuerromans begeistert den Leser durch die lebendige und sprachlich einfühlsame Erzählung der außergewöhnlichen Biographie aus dem 18. Jh.. Aus nächster Nähe läßt sie den Leser miterleben und mitfühlen, wie der jugendliche Held seine Abenteuer besteht, mit Heimtücke sogar längst verloren geglaubte Schlachten gewinnt.
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Der gut recherchierte, mit Glossar und Bibliographie versehene Roman ist gleichzeitig lehrreich. En passant informiert er den Leser über Sitten und Gebräuche in der islamischen Welt sowie über die aus Schulbüchern wenig bekannte „weiße Sklaverei“, den im großen Stil betriebenen Seeraub der muslimischen Staaten im türkisch beherrschten Nordafrika gegen christliche Völker zu Beginn der Neuzeit. Das Thema der kulturellen, kollektiven Identität ergänzt so dasjenige der individuellen Identität des Protagonisten. Die sich aus beiden Themen ergebenden Konflikte machen das Buch nicht nur für jugendliche Leser aktuell. Eine Lektüre empfiehlt sich freilich insbesondere für diejenigen, die Harks Erfahrung der Entwurzelung, Eingewöhnung in fremde Umgebungen und schwierige Rückkehr ins Heimatland aus eigener Anschauung kennen.
Zu einem außergewöhnlichen Buch wird „Heimkehr in die Fremde“ schließlich durch die wunderschönen Illustrationen von Mareike Seegers-Herenda, die den Leser endgültig in das Reich von Tausendundeinernacht entführen.

Meisterhaft erzählt

Historischer Jugendroman - solche Untertitel fanden sich häufig unter den Büchern, die mir von meinem Vater aus seiner Kindheit überkommen waren. Ihnen haftete etwas gewollt Pädagogisches an, eine "Moral von der Geschicht'", die den jungen Lesern Vorbild oder Abschreckung sein sollten. Das trifft auf Anne Kordaschs "Hark Olufs" in keinster Weise zu, obwohl der Weg des Jungen aus Armut, Not und Sklaverei zu Ruhm, Karriere und lang ersehnter Freiheit zu führen scheint wie in einem der oben erwähnten Romane. Dieser Höhepunkt der Handlung ist jedoch nicht das Ende der Geschichte: Es geht bergab mit dem Helden - er kehrt "heim in die Fremde". Meisterhaft ist dieser Niedergang erzählt: die mühselige Rückreise durchs winterliche Europa, die beiderseitige Enttäuschung in der Begegnung mit dem gebrochenen, freudlosen Vater, das versteckte und offene Misstrauen der Amrumer. Hark hat nach den blutigen Kriegestaten in Algerien nun ungleich schwerere innere Kämpfe zu bestehen. Dabei kommt die äußere Handlung im Gegensatz zum spektakulären Beginn fast zum Stillstand, und die Verfasserin zwingt durch ihr kommentarloses Berichten in klarer, eindringlicher Sprache den Leser zur Parteinahme und zum "Mitleiden".
Da ist Harks Sehnsucht, wieder dazuzugehören zur Gemeinschaft der Kindheit, aber auch die feste Entschlossenheit, ein Recht auf die glorreiche Vergangenheit und den ihm gebührenden Respekt durchzusetzen gegen das Unverständnis der Insulaner.
Einen Schritt auf inneren Frieden hin bringt die Gründung der eigenen Familie: Menschliche Zuneigung und Nähe bestätigen Hark in seinem Selbstwert, lassen es zu, dass er sich als Kettenglied seines Geschlechts auf Amrum fühlen kann.
Ein anderer Versuch der Eingliederung gelingt nur unbefriedigend und äußerlich: die Rückführung in die christliche Kirchengemeinde, die mit Demut, Reue und Buße verbunden sein sollte nach Ansicht der Amrumer. Dafür aber sieht Hark keine Notwendigkeit, hat er doch in den gemeinsamen Wurzeln der abrahamitischen Religionen Islam und Christentum die Lösung seines anfänglichen Glaubenskonflikts gefunden. Unsauslöschlich beeinflusst hat ihn jedoch das Erlebnis des gemeinsamen Haddsch mit dem väterlichen Bey nach Mekka im rauschhaften Gefühl der unmittelbaren Berührung mit dem Göttlichen und der Vergebung aller Schuld. Das ist mehr als Toleranz des Islam, scheint mir, und so sind die intensiven Gespräche mit dem Pastor zur Konfirmation und die letztendlich christliche Deutung in der Dokumentation seiner Lebensgeschichte für Hark wohl nur eine halbherzige "Bekehrung". Die sympathische Darstellung des Islams im Roman gibt eine Grundlage für die Diskussion um Toleranz zwischen den Religionen.
Hark Olufs bleibt für mich eine tragische Gestalt "zwischen den Klippen", ein trauriges Beispiel für eine vertane Chance zur Integration fremdartiger Kultur und Erfahrungen zum Nutzen aller - ein bewegendes, überraschend aktuelles Buch, nicht nur für die Jugend!